„Wir erwarten einen harten Winter“

von Visar Azemi, GIZ/EUKI

Visar Azemi ist geschäftsführender Direktor der Balkan Green Foundation, einer Partnerorganisation des EUKI-Projekts Green Rural Deal und arbeitet im Kosovo. Er engagiert sich in der Debatte über nachhaltige Entwicklung in den westlichen Balkanländern. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf Entwicklung erneuerbarer Energien, Integration von Energiemärkten und Kreislaufwirtschaft. Wir haben ihn auf der EUKI-Konferenz 2022 am 20. September in Berlin getroffen.

Veröffentlicht: 07. Oktober 2022
portrait Visar Azemi

Herr Azemi, was ist Ihr Eindruck von der Konferenz?

Es war das erste Mal, dass ich an der EUKI-Konferenz teilgenommen habe, und ich freue mich sehr, mit Ihnen allen hier zu sein und mehr über die EUKI und das Engagement der deutschen Regierung bezüglich der Energiewende zu erfahren. Ich bin beeindruckt von den Diskussionen und von den Botschaften, die wir vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erhalten haben. Ich hoffe, dass sich die deutsche Regierung noch lange in den westlichen Balkanstaaten engagieren wird. Da wir den Beitritt zur EU anstreben, ist dieses Engagement als Vorbereitung auf den EU-Beitritt von immenser Bedeutung.

Wie wirkt sich die Energiekrise auf Ihr Heimatland Kosovo aus? Wie kommt es mit den Folgen zurecht?

Unser Land ist von der Energieerzeugung aus Braunkohlekraftwerken abhängig, die ihre Lebensdauer überschritten haben und sehr umweltschädlich sind. Tatsache ist, dass die Grundlastkapazität und die Spitzennachfrage nach Energie in einem Missverhältnis stehen, so dass wir nicht genug Energie produzieren, um die Spitzennachfrage decken zu können. Im Winter verdoppelt sich der Verbrauch. Die Menschen nutzen Strom zum Heizen, und der Bedarf an Wärmeenergie steigt immens. Wir arbeiten daran, die Lücke mit erneuerbaren Energien zu schließen, aber wir sind noch weit davon entfernt.
Da wir nicht in der Lage sind, mit unserer heimischen Produktion genügend Energie bereitzustellen, müssen wir entweder Strom zu horrenden Preisen importieren oder mit Stromausfällen rechnen. Die Regierungsinstitutionen haben keine praktischen Schritte zur Bewältigung der Energiekrise vorgeschlagen und auch keine greifbaren Lösungen für die Wärmeenergie angeboten. Angesichts der steigenden Energiepreise erwarten wir also einen strengen Winter.

„Die EUKI spielt eine wichtige Rolle, indem sie Organisationen befähigt, den Klimaschutz voranzutreiben. Die Befähigung und die Eigenverantwortung, die bei den lokalen Gemeinden oder Organisationen verbleibt, ist sehr wichtig.“
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Visar Azemi
Geschäftsführender Direktor der Balkan Green Foundation

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und Ihre Organisation (Balkan Green Foundation) aufgrund der Energiekrise?

Das Problem, mit dem wir in den Wintermonaten konfrontiert sind, ist die Wärmeenergie, da die Menschen Strom zum Heizen verwenden. Der Preis für Holzpellets ist auf mehr als das Doppelte gestiegen, und die staatlichen Institutionen haben keine Maßnahmen ergriffen, um Anreize für den Einsatz von Wärmepumpen oder weiteren Alternativen zu schaffen, damit die Menschen sich diese leisten können. Die einzige Heizmöglichkeit für viele Haushalte wäre Strom, was das Energiesystem belastet und unweigerlich zu Problemen führt.

Im Rahmen des Projekts Green Rural Deal gestalten Sie mit Bewohner*innen aus dem ländlichen Kosovo Projekte, Maßnahmen und Methoden, die die nachhaltige Entwicklung ihrer Heimatregionen unterstützen.

Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, den politischen Kontext mit dem zu verknüpfen, was auf der ganzen Welt in Bezug auf nachhaltige Entwicklung geschieht. Wir haben ein ländliches Gebiet im Kosovo ausgewählt, das ziemlich verlassen und weit von der Hauptstadt entfernt ist. Wir sahen den guten Geist des früheren Bürgermeisters, der etwas tun wollte, das über sein Mandat hinausging. Die Gestaltung der Politik in Richtung einer grünen Agenda und Investitionen in erneuerbare Energien war etwas Bemerkenswertes.

Wie beurteilen Sie die Erfahrungen mit der Finanzierung, Umsetzung und Vernetzung der EUKI im Vergleich zu anderen Ihnen bekannten Finanzierungsinstrumenten?

Die EUKI spielt eine wichtige Rolle, indem sie Organisationen befähigt, den Klimaschutz voranzutreiben. Die Befähigung und die Eigenverantwortung, die bei den lokalen Gemeinden oder Organisationen verbleibt, ist sehr wichtig. In der Vergangenheit haben wir in der westlichen Balkanregion viel Geld erhalten, aber die Agenda wurde von den Gebern bestimmt. Jetzt ist es so, dass wir zusammen mit EUKI und den lokalen Organisationen die Agenda bestimmen und sicherstellen, dass das Geld am richtigen Ort und für die richtigen Zwecke eingesetzt wird.

Herr Azemi, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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